Mittwoch, 9. Mai 2012

Barfuß durch die Stadt


Gestern war es endlich mal wieder warm genug, um auch den Füßen mal wieder einen Aufenthalt an der frischen Luft zu gönnen, also barfuß zu laufen. Deshalb verband ich das Angenehme mit dem Nützlichen, zog mir ein Hemd und eine Hose an, packte meine Sandalen in den Rucksack (nur für alle Fälle) und ging die etwa vier Kilometer in den Nachbarort, um dort ein paar Dinge einzukaufen, die es in dem Dorf, in dem ich wohne, nicht zu kaufen gibt.

Dabei konnte ich feststellen, dass niemand mich erstaunt anblickte oder sonst sichtbar darauf reagierte, dass ich barfuß lief. Auch im Laden sprach mich niemand direkt darauf an. Nur ein Kunde, der noch damit beschäftigt war, seinen Einkauf in seiner Tasche zu verstauen, als ich bezahlt hatte, sprach mich auf das angenehme Wetter an. "Das darf auch gerne so schön bleiben." antwortete ich, "Da kann man endlich seinen Füßen auch mal wieder etwas Bewegungsfreiheit gönnen." Dem stimmte er zu und verabschiedete sich, da er inzwischen fertig gepackt hatte.

Dieser Kunde war damit sicher nicht der einzige, der sich darüber gewundert hatte, dass ich barfuß lief, aber nur er sprach mich deshalb an. Und seine Zustimmung dazu, dass ich auf Schuhe verzichtete, sehe ich einerseits positiv, denn sie zeigt mir, dass es durchaus toleriert wird oder sogar ausdrücklich Zustimmung findet, wenn man sich einfach die Freiheit nimmt, die einem zusteht - die Freiheit nämlich, zu tun und zu lassen, was man will, so lange man damit nicht die Rechte Anderer verletzt. Und das schließt nun mal auch die Freiheit ein, Schuhe nur da zu tragen, wo sie erforderlich oder vorgeschrieben sind.
Andererseits ist die Zustimmung dieses Kunden zu meinem Verhalten auch ein Zeichen dessen, dass es offensichtlich nur wenige Menschen gibt, die den Mut haben, sich die Freiheit, die ihnen zusteht, einfach zu nehmen und dabei nicht bei dem Gedanken daran, was andere Leute denken könnten, vor Scham gleich rot zu werden. Und weil nur Wenige diesen Mut haben, ist es außergewöhnlich, jemanden zu sehen, der barfuß läuft.

Und da sind wir dann genau beim Thema. Es ist meiner Überzeugung nach falsche Scham, die dazu führt, dass kaum jemand barfuß läuft. Es ist nämlich weder per Gesetz noch aus moralischer Sicht verboten, barfuß zu laufen. Ein Grund, sich davor zu schämen, besteht also nicht. Ich jedenfalls werde das in Zukunft öfter tun, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet.
Wie "Die Ärzte" das so schön gesungen haben: "Laß die Leute reden und hör' ihnen nicht zu! Die meisten Leute haben ja nichts besseres zu tun. Laß die Leute reden bei Tag und auch bei Nacht. Laß die Leute reden, das haben die immer schon gemacht."
Hier das gesamte Lied (mit Text) auf YouTube
Die meisten Leute machen nämlich den Fehler, das Verhalten Anderer nach der Regel zu bewerten "Was ich nicht ausdrücklich erlaubt habe, ist verboten." Denn das ist keine Regel, die irgendwo gültig sein könnte, sondern eine Anmaßung in schlimmster Form. Hätte ich mich nach dieser "Regel" richten wollen, dann hätte ich gestern jeden, der mich auf meiner Einkaufstour hätte sehen können, um Erlaubnis dafür fragen müssen, barfuß zu laufen. Das ist aber nicht möglich.
Damit wird klar, wie absurd diese "Regel" ist, und dass nur das Gegenteil dessen gelten kann, nämlich dass alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. Und es ist auch nicht so gefährlich, barfuß zu laufen, dass sich daraus ein Grund ergeben könnte, es nicht zu tun. Wer es gewohnt ist, barfuß zu laufen, für den sind die Gefahren, die damit verbunden sein könnten, vernachlässigbar gering, und für einen Anfänger sind die möglichen Gefahren so gering, dass jedes Kind mühelos damit umgehen kann. Fahrrad fahren oder im Verein Sport zu treiben, ist im Vergleich dazu wesentlich gefährlicher.
Wer kann es mir also übel nehmen, oder warum sollte ich mich davor schämen, barfuß zu laufen, wann und wo ich will, sofern das nicht ausdrücklich verboten ist?